Arbeitsschutz, Krisenmanagement

Arbeitsunfälle vermeiden

So wird Arbeitsschutz in der Krise nicht zur Krise für den Arbeitsschutz

5 Minuten14.02.2023

Eine unsichere Energieversorgung sowie massiv gestiegene Preise in allen Lebensbereichen, Probleme in den Lieferketten, der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel und die spürbaren Folgen der Covid-19-Pandemie - vielfältige aktuelle Krisen erfüllen Menschen mit Sorgen und Ängsten, die sie beim Betreten des Arbeitsplatzes natürlich nicht ablegen können.

Belastungen der psychischen Gesundheit verfolgen Ihre Mitarbeitenden auch bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten. Die Konsequenzen sind Ablenkungenvon der eigentlichen Arbeit und Minderung der Konzentrationsfähigkeit. Besorgte Menschen sind gedanklich schnell woanders – nicht beim sicheren Arbeiten und der Vermeidung von Arbeitsunfällen. Es ist genau diese Ablenkung, die das Risiko von steigenden Unfallzahlen und unsicheren Verhaltensweisen mit sich bringt. 

Upgrade: Von TOP-Maßnahmen zu verhaltensbasiertem Arbeitsschutz

Damit die Anzahl der Arbeitsunfälle und unsicheren Verhaltensweisen nicht deutlich steigt, müssen Unternehmen jetzt handeln. Wenn bislang der Arbeitsschutz nur aus technischen, organisatorischen und personenbezogenen (TOP) Schutzmaßnahmen bestand, dann sollten jetzt unbedingt weitere Maßnahmen ergänzt werden. Der verhaltensbezogene Arbeitsschutz – also die direkte Arbeit mit den Menschen im Unternehmen – muss stärker in den Fokus rücken.

Damit Ihr Unternehmen möglichst ohne steigende Arbeitsunfallzahlen durch die Krise kommt, müssen Sie zunächst verstehen, dass die von außen einwirkenden, nahezu dauerhaft negativen Informationen verstärkt psychologische Reaktionen bei Ihren Mitarbeitenden auslösen können. Sorgen und Ängste haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Gedanken und Handlungen von Menschen. Diese Erkenntnis ist gerade deshalb essenziell, da 90 bis 99 Prozent aller Gedanken und Handlungen unterbewusst ablaufen. Um das Unterbewusstsein zu erreichen und sicheres Verhalten zu automatisieren, müssen Verantwortliche im Arbeitsschutz die Mitarbeitenden immer wieder neu für aufmerksames und sicheres Arbeiten sensibilisieren.

Strategische und operative Maßnahmen gegen Arbeitsunfälle

Sie möchten in Ihrem Unternehmen Arbeitsunfälle vermeiden und die Arbeitssicherheit verbessern? Im Folgenden finden Sie sowohl strategische als auch operative Maßnahmen, die Sie dabei unterstützen. Mit Klick auf eine der 5 Maßnahmen navigieren Sie durch den Inhalt:

Maßnahme #1: Erarbeiten Sie ein Kommunikationskonzept

Maßnahme #2: Sprechen Sie regelmäßig über Sicherheit

Maßnahme #3: Lassen Sie bei Begehungen Raum für Positives

Maßnahme #4: Bieten Sie Q&A-Runden an

Maßnahme #5: Richten Sie eine Stabstelle für Krisenfälle ein

Maßnahme #1: Erarbeiten Sie ein Kommunikationskonzept

Eine geeignete Kommunikation im Umgang mit aktuellen Krisen trägt dazu bei, dass die Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden zurücktreten. So bleibt das Bewusstsein für Sicherheit bestehen, im besten Fall wächst es sogar. Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich in Ihrem Unternehmen frühzeitig mit aktiver und reaktiver Kommunikation befassen und ein entsprechendes Kommunikationskonzept erarbeiten.

Ein solches Konzept soll dazu dienen, sowohl Vorgehensweisen und Kernbotschaften als auch Mitteilungen an Mitarbeitende und die Öffentlichkeit so vorzubereiten, dass Sie diese im Falle nur noch aus der sprichwörtlichen Schublade ziehen müssen. Das spart Zeit und sorgt dafür, dass alle auf denselben Wissensstand gebracht werden. Besonders Kernbotschaften dienen dazu, einer steigenden Unsicherheit unter den Mitarbeitenden entgegenzuwirken. Hierbei ist es für die relevanten Führungskräfte von großer Bedeutung, sich rechtzeitig mit den Kernbotschaften vertraut zu machen und diese auch zu nutzen. Dafür bieten sich kleinere Schulungen an.

Maßnahme #2: Sprechen Sie regelmäßig über Sicherheit

Mit täglichen Gesprächen über Sicherheit tragen Sie dazu bei, dass auch in Krisenzeiten genügend Bewusstsein für Arbeitsschutz vorherrscht und alle wissen, wie sie Arbeitsunfälle vermeiden können. Besonders empfehlenswert sind regelmäßige Sicherheitskurzgespräche. Diese können mit Unterstützung von bildlichen Vorlagen einzelner Berufsgenossenschaften erfolgen oder auch in Form von auffrischenden Kurzunterweisungen an den Arbeitsplätzen.

Auf den ersten Blick mag dies nach viel Aufwand klingen, bei der richtigen Umsetzung ist dies allerdings nicht der Fall. Aus der Psychologie ist bekannt, dass Menschen Gelerntes am besten behalten, wenn sie Inhalte selbst erarbeiten und wiederholen. Diese Tatsache sollten Sie sich in Ihrem Verantwortungsbereich zu Nutzen machen.

Eine Unterweisung könnten Sie demnach etwa an einer Maschine durchführen: Sprechen Sie die Mitarbeitenden darauf an, welche Risiken bei der Arbeit an den Maschinen bestehen und welche Schutzmaßnahmen sie vor Verletzungen bewahren können. Die Mitarbeitenden werden bei dieser Methode direkt einbezogen, folglich steigt die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein für Arbeitssicherheit wächst. Bei dieser Strategie beschränkt sich Ihre Tätigkeit  nur auf die Moderation, der zeitliche Aufwand beträgt nicht mehr als 10–15 Minuten.

Maßnahme #3: Lassen Sie bei Begehungen Raum für Positives

Das Durchführen von Begehungen stellt eine weitere operative Maßnahme dar, die zu mehr Aufmerksamkeit für den Arbeitsschutz beiträgt. Hierbei sollten neben den Fachkräften für Arbeitssicherheit auch die Führungskräfte und Sicherheitsbeauftragten eingebunden werden. Dabei ist es nicht notwendig, jede Begehung immer penibel zu erfassen – es geht in erster Linie darum, Präsenz zu zeigen und Gespräche zu führen.

Bei dokumentierten Begehungen sollten Sie unbedingt darauf achten, auch positive Erkenntnisse zu dokumentieren. Diese Herangehensweise sorgt dafür, dass Arbeitsschutz positive Emotionen bei den Führungskräften und Mitarbeitenden auslöst.

Maßnahme #4: Bieten Sie Q&A-Runden an

Eine gute Möglichkeit, um aktuelle Ängste und Sorgen von Mitarbeitenden zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren, sind regelmäßige Frage-und-Antwort-Runden. Diese können Sie sowohl virtuell als auch vor Ort durchführen. Bei den Gesprächen sollten Vertreter aller Hierarchie-Ebenen anwesend sein. Es ist sinnvoll, schon im Kommunikationskonzept zu bestimmen, welche Ansprechpersonen an einer Q&A-Runde teilnehmen und wer die Gesprächsführung innehat. In den Q&A-Runden sollten sich die Ansprechpersonen dann unbedingt an die Kernbotschaften aus dem Kommunikationskonzept halten und im Zweifelsfall Antworten zu einem späteren Zeitpunkt nachreichen.

Maßnahme #5: Richten Sie eine Stabstelle für Krisenfälle ein

Da die Ausmaße der aktuellen multiplen Krisen so umfassend sind, ist es für Unternehmen ratsam, einen Krisenstab zu gründen und darin zu arbeiten. Arbeitsschutz ist eines von vielen brennenden Themen, sollte allerdings ergänzend zu allen anderen Aufgabenfeldern ein fester Bestandteil des Stabes sein. Ein gut strukturierter und geführter Krisenstab bringt den Vorteil, dass alle relevanten Teilnehmenden die Herausforderungen der anderen kennen und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Das schafft Weitblick und sorgt für bessere Ergebnisse.

Ausblick: Maßnahmen nutzen, um Arbeitsunfälle zu vermeiden

Planung und Umsetzung der vorgestellten Maßnahmen nehmen personelle und zeitliche Ressourcen in Anspruch. Die Maßnahmen sorgen aber dafür, dass Sie Ihre Mitarbeitenden nachhaltiger und zielführender abholen: Sie reduzieren Ablenkung auf Grund von psychischer Belastung und verankern sicheres Arbeiten dauerhaft im Bewusstsein der Menschen. In der Folge werden Verletzungen sowie kostenintensive Schäden und Arbeitsausfälle verhindert.

Stefan Ganzke Experte Sicherheitskultur
Stefan Ganzke

Stefan Ganzke ist Geschäftsführer der WandelWerker Consulting GmbH. Gemeinsam mit seinem Team von Sicherheitsingenieuren und Sicherheitskultur-Experten hat er für Unternehmen einen Online-Kurs entwickelt, der bei der Planung und Umsetzung von strategischen und operativen Maßnahmen für den Arbeitsschutz in der Krise unterstützt. 

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